Frauen-Stadt-Kulturen

Gerade der urban verdichtete Raum bietet Frauen die Möglichkeit, sich als gesellschaftspolitische Subjekte zu konstitutieren, aus dem engen Korsett geschlechterkategorialer Zuschreibungen auszubrechen, sich gemeinsam zu organisieren und zu artikulieren

Im Zuge der Entwicklung der zweiten Frauenbewegung hat sich seit den 70er Jahren im deutschsprachigen Raum eine feministische Frauenöffentlichkeit herausgebildet, die sich im Urbanen und vor allem als ein urbanes Phänomen lokalisiert hat. Der Begriff der Frauenöffentlichkeit, wie er hier gebraucht wird, meint keine 'heimliche' Frauenöffentlichkeit, sondern eine Öffentlichkeit, die Frauen- und Lesbenpolitik, Emanzipation und feministische Inhalte als gemeinsamen Gegenstand hat. Dabei bietet gerade der urban verdichtete Raum Frauen die Möglichkeit, sich als gesellschaftspolitische Subjekte zu konstitutieren, aus dem engen Korsett geschlechterkategorialer Zuschreibungen auszubrechen, sich gemeinsam zu organisieren und zu artikulieren. Die zweite Frauenbewegung hatte im Kontext der Studentenbewegung als aktivistischer Protest gegen Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen in den späten 60er Jahren begonnen. Sehr bald ging es den aktiven Frauen dann um die Schaffung selbstbestimmter, selbstorganisierter und meist nichtkommerzieller Frauenräume. Bereits Ende der 70er Jahre reicht die Bandbreite dieser Frauenräume von Projekten im Kulturbereich wie zum Beispiel Frauenbuchläden, Frauenverlagen, Zeitschriften, Frauenvertrieben, Archiven, Medienprojekten, Frauenkulturzentren, Kunstprojekten über Frauencafés und -kneipen, feministische Frauengesundheits- und Therapiezentren, Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, Frauenhäuser bis hin zu Erwerbs-, Selbsthilfe- und Wohnprojekten. Aus den 'autonomen' Frauenzentren in den Anfängen entwickelte sich eine Vielzahl an feministischer Theorie und Praxis ausgerichteter Frauenprojekte, so dass heute eine vielfältig urbane Frauenprojektekultur und eine feministisch ausgerichtete Frauenöffentlichkeit konstatiert werden kann, die der Ausdifferenzierung der Interessen, Bedürfnisse und Identitäten unterschiedlicher Frauen Rechnung trägt. Diese Frauenprojektekultur leistet damit einen wichtigen Beitrag zu städtischer Kultur und Öffentlichkeit, zu urbaner Dienstleistungsökonomie und sozialem Leben.

Um die Produktivität dieser Räumlichkeiten und Initiativen zu fassen, kann die feministische Frauenöffentlichkeit in vier Raumfelder strukturiert werden: in einen sozialen, politischen, kulturellen und ökonomischen Raum. Diese Strukturierung dient vor allem der Sichtbarmachung und Erfassung. Damit ist nicht gemeint, dass Projekte zum Beispiel des sozialen Raumes nicht politisch wären, denn ein politisches Moment liegt allen Projekten zugrunde, da sich alle als der feministischen Öffentlichkeit zugehörig verorten. Im sozialen Raum finden sich Projekte, die sich auf das Alltagsleben beziehen wie z.B. Frauensportprojekte, Frauenwohnprojekte, Mädchenprojekte und Freizeitprojekte. Ein weiterer Schwerpunkt besteht hier an Projekten, die sich mit dem Themenkomplexen 'Gewalt gegen Frauen und Mädchen', 'physischer und psychischer Gesundheit und Körper', 'lesbischen Lebensweisen', 'Recht' sowie 'Spiritualität' beschäftigen und entsprechende Angebote wie zum Beispiel Beratungen, Kriseninterventionen, Selbsthilfegruppen oder Fortbildungsseminare für Frauen offerieren. Dem politischen Feld können Migrantinnenprojekte, Projekte gegen Rassismus und Projekte, die unmittelbar Frauen(partei)politik fokussieren, zugeordnet werden. Im ökonomischen Feld finden sich eine Vielzahl an Projekten, die sich mit Aus-, Fort- und Weiterbildung, beruflicher Qualifizierung und Wiedereinstieg von Frauen oder mit Fragen zur Kapitalbildung befassen. In diesem Feld kann zudem eine nicht unerhebliche Zahl an kommerziellen Frauenbetrieben verortet werden. Das erste bundesdeutsche FrauenBranchenbuch verzeichnet hier nahezu 3000 Adressen von selbstständig tätigen Frauen aus mehr als 120 Branchen. Im kulturellen Raum schließlich lassen sich vier wesentliche Themenschwerpunkte erkennen: 'Forschung und Wissenschaft' (u.a. Frauenakademien, Archive, Frauenforschungsinstitute), 'Medien und Vermittlung' (u.a. Frauenzeitschriften, Frauenverlage, Frauenradio, Frauen- und Lesbenarchive sowie Bibliotheken), 'Frauengeschichte' (u.a. Frauengeschichtsgruppen, Frauenstadtführungen, Frauenmuseen bzw. Initiativen), 'Neue Medien' (u.a. Frauencomputerschulen, Frauentechnikzentren, Webproviderinnen, Frauennetzwerke) und 'Kultur' (u.a. Frauenkulturzentren, Frauengalerien, Frauenmusikzentren, Frauenliteraturgruppen, Kunstprojekte, Frauenbildungszentren, Kulturnetzwerke).

Bei näherer Betrachtung, beispielhaft untersucht an den bundesdeutschen Großstädten Berlin, Hamburg, München, Frankfurt und Stuttgart, zeigt sich, dass die überwiegende Zahl an Projekten in innenstadtnahen bzw. unmittelbar an die Innenstadt angrenzenden Stadtquartieren angesiedelt ist, wohingegen in den ausgesprochen peripheren Stadtteilen kaum Frauenprojekte vorzufinden sind. In Berlin konzentrieren sich die Frauenprojekte insbesondere auf die Stadtteile Kreuzberg, Schöneberg, Prenzlauer Berg sowie Mitte, in Hamburg auf die Stadtviertel Altona, St. Pauli und Sternschanzenviertel, in München auf die Isar-Vorstadt mit dem Glockenbachviertel und auf Haidhausen, in Frankfurt auf die bahnhofsnahe Innenstadt sowie auf den Stadtteil Bockenheim, in Stuttgart insbesondere auf die innerstädtischen Stadtteile Ost und West. Gemeinsam ist diesen Stadtteilen trotz unterschiedlicher Stadtstrukturen, dass es sich um Stadtteile handelt, die noch über einen gewissen Gebrauchswert und eine urbane Mischung verfügen. So finden sich weder Konzentrationen an Frauenprojekten in Stadtteilen mit rein einkommensstarken, bürgerlichen bis großbürgerlichen Schichten, noch in Stadtteilen, die eine ausschließlich arme Bevölkerung und keinerlei (sub-)kulturelle Infrastrukturen aufweisen. Bevorzugter Ansiedlungsort von Frauenprojekten sind Stadtviertel, die zwar einen höheren bis hohen Anteil einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen und einen überdurchschnittlichen MigrantInnenanteil aufweisen, gleichwohl Stadtteile mit spezifischer Ausprägung und eigenständigen Stadtteilkulturen sind.

Der Gebrauchswert dieser Stadtteile besteht in einer guten Infrastruktur, einer aneignungsfähigen, flexibel nutzbaren Altbaustruktur, relativ günstigen Mieten, einer guten nahverkehrstechnischen Anbindung und vor allem in einer gewissen Vielfalt an Lebensformen und Stadtkulturen. Dass diese Vielfalt nicht konfliktfrei ist, ist die andere Seite dieser urbanen Mischungen. Doch gerade in Konflikten und den damit verbundenen Kämpfen um Aneignung, Sichtbarwerdung und Veräußerung hat die Frauenprojektekultur ihre Wurzeln und ist sich dieser Wurzeln auch heute noch größtenteils bewusst.
Die Entwicklung der Frauenprojektekultur scheint allerdings in der Zwischenzeit zu einem gewissen Stillstand gelangt zu sein, wie dies auch an anderen gesellschaftlichen Bewegungen zu beobachten ist. Diese Beobachtung wird nicht nur durch interne Entwicklungen der Frauenprojektekultur bestätigt, sondern spiegelt gleichfalls urban-gesellschaftliche Prozesse wieder. Nach einer Phase des Konkurrenzkampfs unter den Städten in den 80er und 90er Jahren, scheinen nun Prozesse der Verfestigung einzusetzen. Segregation, gesellschaftliche Spaltungen, hohe Sozialausgaben und Gentrifikationsprozesse sind Folgen einer ökonomischen Modernisierungskrise, die auch die Frauenprojekteszene trifft und noch mehr als bislang treffen wird. So sind angesichts der hohen Verschuldung bundesdeutscher Städte weitere Streichungen finanzieller Förderungen absehbar bzw. werden wie im Fall von Hamburg bereits radikal umgesetzt: Einrichtungen, die zu spezifischen Bedürfnissen unterschiedlicher gesellschaftlicher Frauengruppen wie zum Beispiel Migrantinnen arbeiten und die einen parteilich feministischen Ansatz verfolgen, werden systematisch eingedampft.

Weiterhin ignoriert werden zudem die veränderten Lebensverhältnisse insbesondere von Frauen. Nicht nur die politischen, sondern auch die planerischen Maßstäbe sind immer noch an der Prämisse der 'Kinder- und Familienfreundlichkeit' ausgerichtet, anstatt zur Kenntnis zu nehmen, dass gerade im verdichteten urbanen Raum die Kleinfamilie nur ein Modell unter vielen weiteren Modellen ist. So sind zum Beispiel in Berlin von den über 1.8 Millionen Privathaushalten 26% Ein-Frauen-Haushalte. D.h. etwas über die Hälfte der Singlehaushalte wird von Frauen geführt. Von diesen 26% Ein-Frauen-Haushalten werden über 30% von Frauen zwischen 20 und 45 Jahren geführt.

Das Leben in der Großstadt bringt so für Frauen zumindest in Teilen eine Befreiung aus geschlechterkategorialen Zuschreibungen und eine Vervielfältigung möglicher Lebensformen mit sich. Auf der anderen Seite ist die Stadt für Frauen ein Ort riskanter Individualisierungsansprüche, denn dieses Leben ist teuer erkauft, betrachtet man zum Beispiel das monatliche Haushaltseinkommen, das insbesondere bei den Frauenhaushalten eher im unteren Bereich liegt. Sichtbar wird dies auch an der Rolle allein stehender Migrantinnen, die als billiges Arbeitspotential für den Umbau der Stadtgesellschaften in Dienstleistungszentren gebraucht werden. Trotzdem und auf diesem Hintergrund betrachtet, besteht ein großer Verdienst der Frauenbewegung sicherlich darin, die gesellschaftliche Akzeptanzschwelle eines möglichst selbstbestimmten und selbstständigen Lebens von Frauen erhöht zu haben.

In Bezug auf die Strukturierung der feministischen Frauenöffentlichkeit zeigt sich ein Übergewicht an Projekten, die dem sozialen Raum zugeordnet werden können. Neben der nicht zu unterschätzenden Einflussnahme staatlich-kommunaler Finanzierungsvorgaben, die bekanntermaßen eher soziale als (sub)kulturelle Bereiche fördern und damit auch die Entwicklung der Frauenprojektekultur nicht unerheblich beeinflusst haben, spiegelt dieses Übergewicht, so ist zu vermuten, auch die immer noch vorhandenen Verfasstheiten eines inkorporierten, gesellschaftlichen 'Frau-Seins' wieder, das an die Erfüllung reproduktiv-sozialer Aufgaben gekoppelt ist. Im Laufe der Genese der Frauenprojektekultur sind hingegen Projekte, die zum Beispiel dem kulturellen Feld zugeordnet werden können, etwas ins Hintertreffen geraten. Damit meine ich Projekte, die ursprünglich unter dem Label 'Frauenkultur' angetreten sind wie zum Beispiel die Frauenkulturzentren. Das erste, heute noch bestehende Frauenkulturzentrum in Deutschland, das Sarah Kulturzentrum & Café für Frauen e.V., wurde 1978 in Stuttgart als ein Ort gegründet, an dem sich Kultur, Arbeit und Leben/Wohnen verschränken. Unter diesem Vorzeichen, Orte für professionelle wie nicht-professionelle kultur- und kunstschaffende sowie interessierte Frauen zu schaffen, erfolgten weitere Gründungen von Frauenkulturzentren wie zum Beispiel in Berlin-Schöneberg das Frauenkulturzentrum Begine - Verein zur Entwicklung neuer Lebensqualitäten für Frauen e.V. , in Berlin-Kreuzberg die aus einer Hausbesetzung hervorgegangene Schokofabrik, die neben sieben Wohneinheiten über Räume für Frauengruppen, einen Cafébereich und über ein türkisches Bad verfügt, in Hamburg das Frauenkulturhaus Harburg e.V. und in Frankfurt das 1993 gegründete Frankfurter Frauenkulturhaus, das mittlerweile allerdings aus finanziellen Gründen den Betrieb einstellen musste. Auch das Münchner Frauenkulturzentrum, das 1987 eröffnet wurde, musste nicht zuletzt aufgrund massiven Widerstands seitens der CSU seine Pforten schließen. In Bremen wurde 1982 ein Frauenkulturhaus gegründet, das 1990 in das thealit Frauen.Kultur. Labor umgewidmet wurde. In Ostdeutschland konnte sich nach dem Fall der Mauer zum Beispiel in Leipzig ab 1990 der Frauenkultur e.V. in eigenen Räumen etablieren.
Im Gegensatz zu den Projekten des sozialen Raumes, denen es nicht nur gelungen ist, sich zu professionalisieren, sondern auch entscheidenden Einfluss auf die kommunale und staatliche Sozialpolitik auszuüben (ab Januar 2002 trat zum Beispiel endlich auch in der Bundesrepublik ein Gewaltschutzgesetz in Kraft), haben die Projekte des kulturellen Raumes nicht nur mit finanzieller Unterversorgung, sondern ebenso mit dem Problem des Begriffs 'Frauenkultur' zu kämpfen. Denn viele Künstlerinnen und Kulturproduzentinnen wollen nicht auf ein essentielles Weibliches festgelegt werden. Wurde in den Anfängen der Neuen Frauenbewegung noch jedes, in den eigenen Räumlichkeiten stattfindende kulturelle Ereignis dankbar als Ausdruck von 'Frauenkultur' angenommen, genügte dieser Begriff bei zunehmender theoretischer Ausdifferenzierung und praktischer Professionalisierung nicht mehr, um darunter Produktionen allein von Frauen zu subsumieren. Damit steht dieser Begriff notwendigerweise zur Disposition.

Im Innern einiger dieser Frauenkulturprojekte scheint das emanzipatorisch-politische und subversive Moment häufig zugunsten eines Trägheitsmoments der Verteidigung und des Festhaltens am Erreichten zurückgetreten zu sein, wie sich an einer über die Jahre unveränderten programmatischen Ausrichtung beobachten lässt. Grundlegende Selbsterneuerungsprozesse sind in diesen Räumlichkeiten kaum noch einzuleiten. Das hat auch zur Folge, dass das Interesse an diesen Projekten nachlässt. Die unaufgelösten Widersprüche äußern sich in einer gewissen inhaltlichen Stagnation, in Ermüdungserscheinungen gegenüber der Notwendigkeit einer politisch-feministisch ausgerichteten Positionierung, in einer Nichtausbildung spezifischer Geschmackskulturen sowie in der Schwierigkeit, spezialisierte Diskurse, die innerhalb anderer Frauenprojekte oder in anderen urban-kulturellen Öffentlichkeiten ausgebildet werden, in diese Form von Frauenöffentlichkeit zurückzuführen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Aufgrund eines kontinuierlichen finanziellen Mangels und einer dadurch begrenzten Professionalität haben etliche Frauenprojekte ihre Vorreiterrolle und Einmaligkeit verloren. Doch es gibt auch Gegenbeispiele, wie zum Beispiel das bereits 1979 in Hamburg gegründete Projekt Bildwechsel, das sich seitdem kontinuierlich weiterentwickelt hat. Heute umfasst das Projekt, organisiert als Dachverband, ein internationales Künstlerinnenarchiv, eine Präsenzbibliothek, ein audiovisuelles Archiv, das Einblick in das Video- und Filmschaffen von Frauen in den letzten 20 Jahren gibt, die Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauen Internet Projekt sowie das Aktionsforum Weltnotiz.

Spürbar wird ab den 90er Jahren zudem ein Generationenwechsel innerhalb der Frauenprojektebewegung. Dieser spiegelt eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung wieder, die zusehends von gesellschaftlichen Individualisierungsprozessen gekennzeichnet ist. Junge und jüngere Frauen werden zwar innerhalb der Frauenprojekte aktiv, grenzen sich jedoch von feministischen Inhalten und frauenpolitischem Aktivismus eher ab. Sie nutzen die etablierten Frauen- und Lesbenprojekte hauptsächlich als Serviceeinrichtungen. Insbesondere viele junge Lesben sehen sich häufig zudem eher in der queer- als in der Frauenprojekteszene verortet. Wenngleich im deutschsprachigen Raum die subkulturellen Formen des Queer nicht in dem Umfang wie in den USA zum Tragen kommen, lassen sich doch neue Praktiken im Kontext einer urbanen Club-Culture ausmachen, in der sich immer mehr Frauen/Lesben als DJs, Musikerinnen, Produzentinnen und Nutzerinnen bewegen und dort, zumindest temporär, Frauen/Lesbenräume einrichten. Gerade im Bereich elektronischer Musik und DJ-Kultur, aber auch im künstlerischen Feld konnten sich einige spannende, quasi selbstverständlich feministische Positionen herausbilden. Auf diesem Hintergrund wäre es insbesondere für einige der bestehenden Frauenkulturprojekte an der Zeit, das eigene Kulturverständnis, das sich zudem zu sehr von der aktuellen feministischen Theoriebildung entkoppelt hat, kritisch zu hinterfragen und eine aktive Öffnung gegenüber anderen urbanen Kulturen und künstlerisch-feministischen Praktiken vorzunehmen. Vor allem sollte es darum gehen, den Mut aufzubringen, sich quer zu einem kleinsten, vermeintlich gemeinsamen Nenner 'Frauen' zu stellen.

Hier erweist sich der Kunst- und Kulturbetrieb, zumindest in Teilen, bereits als fortschrittlicher. Hier scheint die feministische Kritik an der Nichtrepräsentanz und Ignoranz von Frauen und ihren Positionen im kulturellen Feld Früchte getragen zu haben, denn der Kunst- und Kulturbetrieb hat sich größtenteils, so hat es zumindest den Anschein, nicht nur von der Vorstellung vom 'männlichen Künstlergenie' und 'weiblicher Muse' befreit, sondern räumt eigenständigen und aktuellen Positionen von Künstlerinnen und Kulturproduzentinnen mehr Raum ein als noch vor 10 Jahren. Dennoch besteht auch hier nach wie vor die Notwendigkeit, aus feministischer Perspektive eine Politisierung ästhetischer Praktiken und Produktionsformen ebenso wie eine Reflektion der eigenen Betriebspraktiken vorzunehmen. Denn obgleich zum Beispiel die hier geführten Diskurse schon so weit gediehen zu sein scheinen, dass feministische Theorien scheinbar selbstverständlich zum Theorie- und Referenzkanon dazu gehören, lässt sich doch immer wieder aufs Neue und auf mehr subtile oder ganz offene Weise, das Gegenteil feststellen. Dann zum Beispiel, wenn auf der Party einer internationalen Kunstmesse ganz selbstverständlich und am Rande der Tanzfläche Hardcore Trash Videos gezeigt werden, in denen Frauen brutal vergewaltigt und zerstückelt werden - denn so amüsant und fortschrittlich kann der Kunstbetrieb sein! Immer noch selten genug sind deshalb auch im künstlerischen Feld Ausstellungsprojekte wie zum Beispiel das von Ute Meta Bauer kuratierte Projekt First Story - Women Building/ New Narratives for the 21st Century, das im Rahmen von Porto 2001, Kulturhauptstadt Europa stattfand und das die Geschlechterfrage in unterschiedlichen Facetten aus feministischer wie künstlerischer, wissenschaftlicher und aktivistischer Perspektive beleuchtete.

Es gibt also noch viel zu tun... Denn wenn das nächste Jahrhundert uns gehören soll, wie bereits die Erste Frauenbewegung postuliert hat, sieht sich die feministische Frauenöffentlichkeit im neuen Millennium mit einigen Herausforderungen konfrontiert: angesichts kommunal-staatlicher Sparpläne muss sie nicht nur (erneut) um die Aufrechterhaltung ihrer Projekte kämpfen, sondern gleichermaßen ihre Inhalte, Angebote und Politikformen weiter fortschreiben, um neue Denk- und Handlungsräume und damit neue Freiheiten zu gewinnen.


Yvonne P. Doderer ist Architektin und Stadtforscherin, arbeitet im wissenschaftlichen, künstlerischen und kulturellen Feld mit den Schwerpunkten Raumtheorie, Stadtforschung, Gender, Queer und Cultural Studies.